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Warum Tiergärten so wichtig sind für den Artenschutz!

Aktualisiert: 28. Juni 2022


Schneeleopard im Zoo Katowice, Polen, Tratz Fotografie

Immer wenn ich irgendwohin reise, recherchiere ich im Vorfeld, ob es in der Nähe einen Zoo gibt. Das mache ich nicht nur aus beruflichem Interesse, sondern weil ich einfach für mein Leben gern in den Zoo gehe. Ich genieße die Nähe zur Natur und die Artenvielfalt inmitten urbanen Treibens. Tiergärten sind touristische Attraktionen, die große Besuchermengen anziehen. Sie sind Erholungsgebiete für gestresste Städter und Parkanlagen für den Spaziergang mit den Kindern. Doch sie sind noch viel mehr als das! Zoos sind Vorreiter und Kämpfer für den Artenschutz. Sie sind Leuchtfeuer, die den Weg für künftige Generationen weisen, Botschafter für untergehende Arten und Wissensvermittler, um den Menschen für Probleme zu sensibilisieren, die er selbst verursacht.


Nicht nur aufgrund der EU Richtlinie 1999/22/EG, der sogenannten Zoo-Richtlinie und des Bundesnaturschutzgesetzes sind Tiergärten verpflichtet, sich für den Erhalt der Arten einzusetzen, sowohl ex situ (also im Zoo), als auch in situ (direkt im natürlichen Lebensraum der Tiere vor Ort). Die Richtlinie verpflichtet die Tierhaltungen außerdem zur Aufklärung und Bildung, zur wissenschaftlichen Forschung und zur artgerechten Lebensraumgestaltung. All diese Bereiche bedingen sich gegenseitig und liegen natürlich auch im wirtschaftlichen Interesse des Zoos. Niemand will heutzutage noch Tiere in nackten und viel zu engen Käfigen sehen! Artgerechte Haltung führt darüber hinaus zu besseren Zuchterfolgen, was wiederum mehr Besucher in den Zoo lockt und bessere Voraussetzungen für die Forschung schafft. Feldforschung in situ trägt dazu bei, die Lebensumstände der Tiere genauer zu kennen und so wiederum die Haltungsbedingungen verbessern zu können.


Letztlich tragen alle Aktivitäten direkt oder indirekt zum Artenschutz bei, doch befassen wir uns zunächst einmal mit den direkten Projekten: Zoos beteiligen sich weltweit an diversen Artenschutzprojekten, sei es durch ihr fachliches Know How, hochqualifiziertes Personal, oder auch durch Sachspenden und finanzielle Unterstützung. Laut dem Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) bringen ihre etwa 70 Mitgliederzoos aus Deutschland, Österreich und der Schweiz jährlich um die vier Millionen Euro pro Jahr für solche Projekte auf. Daneben führen vieleTiergärten auch eigene Projekte durch, wie zum Beispiel der Kölner Zoo, der sich seit 1999 in Vietnam und mittlerweile auch in Laos engagiert und dessen Team dort seitdem bereits mehr als 100 neue Wirbeltierarten entdeckt hat.


Zuchtprogramme


Pranken eines Sibirischen Tigers im Zoo Katowice, Polen, Tratz Fotografie

Besonders wichtige Projekte sind die Zuchtprogramme: Internationale Zuchtbücher unter der Leitung der WAZA (dem Weltzooverband), sowie die EEPs (Europäischen Erhaltungszuchtprogramme) unter der Leitung der EAZA (des Europäischen Zooverbandes). Die EEPs gibt es seit 1985 und aktuell sind es über 200 solcher Erhaltungszuchtprogramme. Ziel dieser Zuchtbücher, von denen jedes von einem einzelnen Zoo koordiniert wird, ist es das Erbgut einer Art in seiner natürlichen Form zu erhalten. Indem Individuen zwischen den Zoos transferiert werden, wird Inzucht und unnatürliche Selektion vermieden. So bleibt der Genpool vielfältig und das Überleben der Art kann auf diese Weise gesichert werden.


Durch die Arbeit der Zoos haben bislang laut VdZ etwa 50 Tierarten überlebt, die in der freien Wildbahn bereits ausgestorben sind oder waren, wie z.B. das Goldene Löwenäffchen (Leontopithecus rosalia). Als eine der größten Erfolgsgeschichten gilt hierbei das Przewalski Pferd (Equus ferus przewalskii). Dieses galt ab 1969 als in der freien Natur ausgestorben. Durch Nachzucht in Zoos konnten die Bestände gesichert werden und mittlerweile leben dank Auswilderung wieder über 300 Przewalski Pferde in der mongolischen Steppe.


Wisente im Bialowieza Nationalpark in Polen, Tratz Fotografie
Wild lebende Wisente in Ostpolen

Noch beeindruckender finde ich den Erfolg beim Wisent (Bison bonasus). 1927 wurde der letzte freilebende Wisent im Kaukasus erlegt und nur noch 12 einzelne Tiere haben in Tierhaltungen überlebt. Mit diesen wenigen Tieren schaffte man es, die Population zu stabilisieren und ab 1952 in den Urwäldern Osteuropas wieder anzusiedeln. Im Februar 2020 habe ich einen dieser Urwälder im Osten Polens, an der Grenze zu Weißrussland besucht. Dort, im Białowieża Nationalpark gibt es die größte wildlebende Wisent-Population. Meine dortigen Erlebnisse kann man in meinem Blog-Beitrag "Auf der Suche nach den Wisenten vom Białowieża - Urwald" nachlesen. Mittlerweile leben wieder 3000 Wisente in freier Wildbahn. Sogar in Deutschland wurde 2013 bei Bad Berleburg in Nordrhein-Westfalen eine kleine Gruppe von acht Tieren ausgewildert.


Das Ziel der Zuchtprogramme ist letzten Endes, nach der Sicherung der Bestände, immer die Auswilderung und Wiederansiedelung der Tiere in Ihren natürlichen Lebensräumen. Falls noch Lebensräume übrig sind und sie nicht bereits der Ausbreitung oder der Gier des Menschen zum Opfer gefallen sind. Unter Mithilfe des Opel Zoo Kronberg wurden zum Beispiel in Deutschland Europäische Nerze und Wildkatzen wiederangesiedelt. Manche Tiergärten betreiben sogar eigene Auswilderungsstationen.


Bildung


Grundlage für eine erfolgreiche Artenschutzstrategie ist es, die Menschen zunächst einmal aufzuklären über die Gründe des Artensterbens, wie die Vernichtung der natürlichen Lebensräume, Wilderei und illegalen Wildtierhandel oder den Klimawandel und sie für die Notwendigkeit von Natur- und Artenschutz zu sensibilisieren. In der Naturschutzstrategie der WAZA heißt es, der Zoobesucher soll für das Leben auf der Erde und seinen Erhalt begeistert und durch gezielte Naturschutzbildung motiviert werden, das eigene Verhalten, auch im täglichen Leben, im Sinne des Natur- und Umweltschutzes zu überdenken.



Infotafel über Otter in der Welt im Zoo Katowice, Polen, Tratz Fotografie
Infotafeln klären über biologische Zusammenhänge auf

Kenntnisse über die Vielfalt der Tierwelt und Wissen über biologische und ökologische Zusammenhänge werden dabei für unterschiedliche Zielgruppen und auf vielen verschiedenen Wegen vermittelt: Angefangen bei der Präsentation der Tiere Selbst, optimalerweise in einem möglichst naturnah gestalteten Gehege, über Infotafeln und Gehegebeschilderungen bis hin zu Vorträgen und Führungen. Sonderausstellungen können auf bestimmte Themen aufmerksam machen, wie zum Beispiel der CITES Pavillon im Zoo Łódź, der über illegalen Wildtierhandel und damit verbundene „Produkte“ informiert. Für Schülergruppen, aber auch Erwachsene (z.B. für Firmenausflüge oder Lehrerfortbildung) bieten die meisten Tierparks Zooschulen an. Mehr als 850 Mitarbeiter sind in den 70 Mitgliederzoos des VdZ allein für den Bereich Bildung angestellt.


Für viele Menschen in den Städten sind Tiergärten die einzige Möglichkeit Wildtiere zu erleben und mit allen Sinnen zu erfahren. Die Zoos dienen dabei als Abbilder natürlicher Lebensräume mit den Tieren als Botschafter ihrer Art. Hier können sich die Menschen persönlich von der Schönheit der Tierwelt überzeugen und mit ihren eigenen Augen sehen, wie schützenswert die Vielfalt des Lebens ist.

Das Zusammenspiel von Zoopädagogik und der Präsentation gefährdeter Tierarten als Botschafter führt im Idealfall auch zur Generierung von Spendengeldern, die direkt wieder in die jeweiligen Artenschutzprojekte fließen können.



Tierhaus im Zoo Katowice, Polen, Tratz Fotografie


Forschung


Wie eingangs bereits erwähnt kommt der Forschung eine nicht unwesentliche Rolle zu im Geflecht der Artenschutz-Aktivitäten der Tiergärten. In erster Linie zielt die tiergärtnerische Forschung darauf ab, die Biologie, das Verhalten und Krankheiten der Tiere besser zu verstehen. Gegenüber der Feldforschung in situ, die im natürlichen Lebensraum der Tiere stattfindet, können im Zoo Studien unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden.


Dabei arbeiten Tiergärten eng untereinander, aber auch mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, wie Universitäten zusammen. Jährlich werden über 230 wissenschaftliche Studien allein unter Mitarbeit der Zoos im deutschsprachigen Raum publiziert. Neben Untersuchungen zu Verhalten, Fortpflanzungsbiologie, Biochemie (die Liste ließe sich endlos fortführen...), sind vor Allem auch Genetik und in vitro Fertilisation brandaktuell.


Im Fall des erst vor kurzem ausgestorbenen nördlichen Breitmaulnashorns, ist die Forschung auf diesen Gebieten die einzig verbleibende Hoffnung, diese Unterart zu retten. Konservierte Spermien des nördlichen Breitmaulnashorns sollen bei der künstlichen Befruchtung eingesetzt werden und der Nachwuchs muss dann von einem südlichen Breitmaulnashorn ausgetragen werden.


Kooperationen



Gehegeschild des Schneeleoparden im Zoo Katowice, Polen, Tratz Fotografie
Gehegeschild mit IUCN-Gefährdungsstatus

Um die Artenschutzziele zu erreichen arbeiten Tiergärten weltweit mit Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), wie der Stiftung Artenschutz, der ZGAP (Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz), oder der deutschen Wildtierstiftung zusammen. Wichtige internationale Partner sind die IUCN (International Union for Conservation of Nature, Weltnaturschutzunion) und ihre Conservation Planning Specialist Group. Die IUCN führt unter anderem die rote Liste der bedrohten Tierarten. Species 360 unterhält ein Arten-Informationssystem, in das online wichtige Daten für Forschung und Pflege eingepflegt und abgerufen werden können. Und schließlich, die wohl bekannteste Organisation für Natur- und Artenschutz: der World Wide Fund for Nature: Der WWF unterstützt dabei Projekte von Zoos, die einen erkennbaren Nutzen für das Überleben einer Tierart in der freien Wildbahn haben.


Zoos als wichtiger Wirtschaftsfaktor am jeweiligen Standort


Neben der touristischen Attraktivität – vielerorts sind Tierparks die meistbesuchte Freizeiteinrichtung – sind Zoos vor Allem auch als Arbeitgeber für den Standort von Bedeutung. Im Schnitt beschäftigt jeder Tiergarten im deutschsprachigen Raum rund 85 Mitarbeiter, darunter Tierpfleger, Tierärzte, Landschaftspfleger, Verwaltungsangestellte, Zoopädagogen und einige mehr. Hinzu kommen etwa 12 Saisonkräfte, sowie rund 35 indirekt Beschäftigte, etwa für den Gastronomie- und Servicebereich. Fast alle VdZ-Mitglieder Zoos sind auch Ausbildungsbetriebe. Zusammen erwirtschaften diese 70 Tiergärten knapp 300 Millionen Euro Umsatz jedes Jahr. Davon werden 110 Millionen Euro allein für die Optimierung der Tierhaltung wieder investiert, was wiederum vor Allem der lokalen Wirtschaft zu Gute kommt, denn die meisten der rund 13.000 Aufträge in diesem Zusammenhang werden an regionale Unternehmen vergeben.


Fazit



Gänsegeier im Zoo Lodz, Polen, Tratz Fotografie
Gänsegeier haben dank der Arbeit von Zoos gute Chancen

Früher gab es durchaus berechtigte Gründe, Kritik an der kommerziellen zur Schau Stellung von Tieren zu üben: Zu enge Käfige, keine artgerecht eingerichteten Gehege, Wildfänge… Doch schon vor langer Zeit hat hier ein Umdenken stattgefunden. Veraltete Anlagen, wurden nach und nach modernisiert und naturnah gestaltet. Tiere stammen mittlerweile fast ausschließlich aus der Haltungszucht, lediglich, wenn es für das Überleben der Art unumgänglich ist, werden noch Tiere aus der Natur entnommen. Professionell und wissenschaftlich geführte Zoos sind heutzutage vor Allem eines: Die beste Chance und die größte Hoffnung, die unsere wundervolle Natur hat, um die unglaubliche Artenvielfalt auf diesem Planeten so gut es geht zu erhalten. Für manche Tierarten sind sie die einzige verbleibende Chance zu überleben, um vielleicht irgendwann einmal wieder durch ihren natürlichen Lebensraum streifen zu können.


 

Quellen / Links:

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